Klimaschutz: Planlos in die Zukunft?

Deutschland hat gerade erst eine Weltklimakonferenz ausgetragen und Kanzlerin Merkel hat eine schöne Rede gehalten. Doch konkret wird der Klimaschutz dort vernachlässigt, Lösungen finden ganz woanders statt.

Seit 2009 sind die deutschen CO2-Emissionen quasi unverändert, zuletzt sogar leicht gestiegen. Der deutsche jährliche Kohlendioxidausstoß liegt bei rund 850 Millionen Tonnen. Obwohl die Erneuerbaren wachsen, schrumpft die Kohleverstromung nicht im selben Maße. Wir exportieren Kohlestrom in großen Mengen ins europäische Ausland, die Betreiber der Kohlekraftwerke reiben sich die Hände und die Regierung lässt sie gewähren.

Die Bundesregierung macht ihre Klima-Hausaufgaben nicht, weder bei Kohleausstiegs-Plänen noch im Verkehrssektor oder der Energieeffizienz. Es wird auf Teufel komm raus weiter Braunkohle abgebaut. Hauptbegründung: Arbeitsplätze. Doch wem gehört die Zukunft? Wo sind die Jobs von morgen? Solarpower Europe erwartet 94.000 neue Photovoltaik-Jobs in der EU bis 2021.

Italien, England, die Niederlande, Finnland und Schweden haben allesamt den Kohleausstieg beschlossen und dafür konkrete Jahreszahlen genannt. Warum nicht auch Deutschland? Die Kanzlerin hat den Kohleausstieg mehrmals angedeutet, aber sie wurde nie konkret. Sie ging vor der Kohle-Lobby ihrer nordrhein-westfälischen CDU und der Kohlefreundlichkeit ihres Koalitionspartners SPD stets in die Knie.

Länder wie Frankreich, England oder Norwegen haben auch konkrete Jahreszahlen für das Ende des Verbrennungsmotors beschlossen. Dagegen wehrt sich die Auto-Kanzlerin noch mehr als beim Kohleausstieg. Sie hat ihren Vertrauten, Automobilmanager Mattias Wissmann, wieder in Brüssel gegen strengere Abgaswerte bei Benzin- und Dieselautos lobbyieren lassen. Auf EU-Ebene gehört die Bundesregierung zu den Bremsern anstatt zu den Antreibern beim Thema Klimaschutz.

Eigentlich hatte sich die Welt schon auf einem guten Weg gesehen: Der Höhepunkt beim globalen Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen schien erreicht. Drei Jahre in Folge stagnierten zuletzt die CO2-Emissionen. Doch nun sagen Klimaanalytiker in einer aktuellen Studie im Fachblatt Nature Climate Change für dieses Jahr einen erneuten Zuwachs der Emissionen von etwa zwei Prozent voraus, verglichen mit dem Vorjahr. Bestätigt sich die Prognose, wird die Menschheit so viel Kohlendioxid ausstoßen wie nie zuvor.

Vorgelegt haben die im "Global Carbon Project" zusammengeschlossenen Wissenschaftler außerdem eine aktuelle Vorhersage für die Erderwärmung bis 2100. Mitautorin Corinne le Quéré, Direktorin des Tyndall-Zentrums für Klimawandelforschung an der Universität von East Anglia, nennt die Zahlen für 2017 "sehr enttäuschend". "Die Zeit läuft uns davon in unserem Bestreben, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten geschweige denn auf 1,5 Grad."

Solar- und Speichertechnologie sind inzwischen preiswert verfügbar und längst bereit, deutlich mehr Verantwortung zu übernehmen. Marktbarrieren und Deckelungen müssen dringend aus dem Weg geräumt werden, um mit Hilfe der Solarenergie, der Digitalisierung und der hohen Innovationskraft der EE-Branche die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität zu dekarbonisieren sowie intelligent miteinander zu verknüpfen. Deutschland gewinnt 2017 bereits über 37% seines Stroms erneuerbar. Dieses Tempo hin zu sauberem Strom kann beschleunigt werden. Durch die Energiewende wird Deutschland nicht de-industrialisiert, wie oft behauptet, sondern re-industrialisiert.

Zu den medial schön aufbereiteten Klimakonferenzen sagt Jesse Bragg, Corporate Accountability International: "Es gibt ein Thema, das sowohl etliche Länder als auch NGOs mehrfach in die Debatte eingebracht haben: den Bedarf an besserer Teilhabe der Öffentlichkeit an den Weltklimakonferenzen – ohne Interessenkonflikte aufkommen zu lassen, indem man weiter den fossilen Unternehmen den Zugang gestattet. Obwohl dieser Punkt so oft angesprochen wurde, findet er im Abschlussdokument des Gipfels kein einziges Mal Erwähnung. Während das UN-Klimasekretariat die Augen verschließt, torpedieren Handelsorganisationen im Namen der größten Verschmutzer die Verhandlungen. Sie bremsen, verwässern, blockieren und zerfasern die Ergebnisse, wo sie nur können."

Doch die Öffentlichkeit, also die Bürger, sind längst Teil der Lösungen für die Energiewende. Viele großartige Bürgerenergieprojekte sind entstanden und entstehen weiter, unzählige Dächer sind mit Solaranlagen bestückt, Windenergie wird dort geerntet, wo es möglich ist und immer mehr Bioenergiedörfer entstehen.

Viele kleine und mittlere Betriebe setzen aus wirtschaftlichen Gründen auf Photovoltaik auf dem eigenen Dach, Mieterstrommodelle werden umgesetzt und auch immer mehr große Konzerne erkunden Möglichkeiten für eine nachhaltige Energieversorgung. Die Energiewende findet statt, nur kaum auf politischer Ebene sondern immer mehr in Bürgerhand.