Experten rätseln: Bremsen für den Solarausbau gelöst?

Experten und Juristen der erneuerbaren Energien beleuchteten beim 46. Fachgespräch der Clearingstelle EEG KWKG das Solarpaket 1. Sorgt es wirklich für die Beseitigung der Behinderungen beim Solarausbau? Die Meinungen waren differenziert. Christian Quast vom Verein war dabei.

„Die Fachgespräche der Clearingstelle sind inzwischen so etwas wie der Seismograph der Photovoltaikbranche“, führte Dr. Martin Winkler, Geschäftsführer der Clearingstelle, die Gäste ein. Die Schwerpunkte der Clearingstelle verlagerten sich von Themen wie Vergütungssätzen oder Anlagenzusammenfassungsregeln immer mehr Richtung Netzanschluss und Messung. Auch der Bürokratieabbau sei ein Thema, meinte Winkler. Schmunzelnd legte er eine Folie auf, auf der 20 Dokumente aufgeführt waren, die ein Betreiber einer 3-kWp-Anlage seinem Netzbetreiber vorlegen muss: Von „14 Inbetriebsetzungsprotokoll E8 korrigiert“ über „10 Konformitätsnachweis NA-Schutz Erzeugungsseite“ bis zum Lageplan war alles dabei. Der Laie verliere dabei den Spaß, dies sei ein großes Problem für die Akzeptanz.

Das Ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWK) hatte Jurist Tim-Niklas Wentzel gesandt, die Neuerungen des Solarpakets 1 zu erläutern. „Unser Ziel ist die Sicherstellung der Erreichung der Ausbauziele der Bundesregierung“, so Wentzel. Dabei hat sich das BMWK vorgenommen, Hürden aus dem Weg zu räumen. Das Solarpaket 1 verschafft z.B. Betreibenden einer PV-Anlage das Recht, Leitungen über fremde Grundstücke zu verlegen, definiert neue Anlagenklassen (sog. „besondere Solaranlagen“: schwimmend, als Parkplatzüberdachung oder Moor-Anlagen) und führt die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ ein.

Neu ist auch, dass Balkon-Photovoltaikanlagen, jetzt offiziell „Steckersolaranlagen“, nur noch beim Marktstammdatenregister gemeldet werden müssen, nicht mehr beim Netzbetreiber. Auch sind rückwärtsdrehende Zähler (Ferraris-Zähler) erlaubt, der Messstellenbetreiber hat diese aber bald auszutauschen.

Doch kein Solarpaket 2

Auf die Publikumsfrage nach dem Stand des Gesetzgebungsverfahrens musste Wentzel kurz nachdenken. Mit dem Solarpaket 1 wurde mehr umgesetzt als vorher geplant, deshalb werde es wohl kein Solarpaket 2 geben, meinte er dann. Das enttäuschte, vor allem das Thema „Energy Sharing“ fehlte unter anderem Susanne Jung vom Solarenergie Förderverein Deutschland (SFV).

Dennoch hat sich die Stimmung im BMWK geändert. Man hat den Eindruck, das BMWK ist offener, williger und konkreter, seit Altmeier seinen Platz mit Habek getauscht hat. Der Dialog mit den Interessenvertretern ist intensiver, besonders im Vorfeld der Gesetzgebung. Winkler meinte, dass auch die Gesetze handwerklich besser wären. Er muss es wissen, als Volljurist.

Alarm für Aufdachanlagen

Benedikt Fischer vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) schlug Alarm für mittelgroßen Aufdachanlagen (40 bis 1.000 kWp). Die Vergütungssätze seien vor der Zinsrallye der EZB festgesetzt worden, jetzt müssten sie dringend angepasst werden, um den erhöhten Finanzierungsaufwand abzufangen. Momentan werden reine Netzeinspeiseanlagen zwischen 100 und 500 kWp gar nicht mehr gebaut, die Errichter, die vergangenes Jahr noch Kapazitäten aufgebaut hatten, kämpfen jetzt mit abgesagten Aufträgen, nicht alle mit Erfolg. Die Erhöhung der Vergütungssätze muss sehr schnell erfolgen, damit wir nicht die Unternehmen verlieren, die den Ausbau stemmen sollen. Absurd findet Fischer, dass eine Anlage mit festgelegter Vergütung unter 1 MWp 8,8 ct/kWh Vergütung erhält, während eine Anlage über 1 MWp in der letzten Ausschreibung 10,2 ct/kWh erhielt. Wohlweißlich hatte die Bundesnetzagentur für die Ausschreibung den Höchstwert erhöht, damit sie nicht wieder unterzeichnet worden wäre. Jetzt muss die gesetzlich festgelegte Vergütung dringend nachziehen, sonst verlieren wir die besten Player der solaren Energieversorgung: große Dächer.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: zieht sich noch

Sehr spannend für den Verein war das Referat von David Krehan vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft. Er ging auf die geplante „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ ein. Sie soll dafür sorgen, dass endlich auch auf Mehrfamilienhäuser und Gewerbeimmobilien PV-Anlagen gebaut werden, denn das Mieterstromgesetz habe dies nicht vermocht. Es betrifft rund 6,4 Millionen Gebäude in Deutschland. Auf die Frage, wann es denn die ersten Projekte geben würde, musste Krehan auf die Bremse treten. Zwar gelte das Gesetz voraussichtlich ab 1.1.2024. Es sei aber noch einiges zum Procedere offen. Die Bundesnetzagentur arbeite an einer Handreichung, denn die Aufteilung der ins Haus eingespeisten Strommengen auf die teilnehmenden Bewohner:innen müsse der Netzbetreiber übernehmen. „Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung kann den Durchbruch für PV auf Mehrparteiengebäuden bringen“, so Krehans Fazit.

Fazit des Vereins ist, dass noch viel zu regeln und zu vereinfachen ist. Auch muss sich bei den neuen Gesetzen erst herausstellen, ob sie wirklich wie vorgesehen funktionieren. Deshalb wird es doch ein Solarpaket 2 geben, auch wenn es anders heißen und erst nächstes Jahr kommen wird.

In Berlin berät die Branche über das geplante Solarpaket 1

Neu Gesetze müssen verstanden, interpretiert und ausgelegt werden. Der nötige Austausch wird von der Clearingstelle EEG KWKG in Berlin vorangetrieben. (Bild: Archiv)

Die Branche schlägt Alarm für Dachanlagen: Die Vergütungssätze müssen sofort stark angehoben werden.