Bürger-Teilhabe bei der Energiewende

Einen erheblichen Beitrag für eine partizipative Energiewende sollen Bürgerenergiegesellschaften leisten, deren Förderung mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2023 verstärkt wurde.

Existierende Bürgerenergie-Projekte zeigen aber, dass  nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen partizipieren und profitieren. Wenn Bürgerenergie zu einer breiten Stütze der Energiewende werden soll, muss die Politik eine größere Diversität unter den Mitgliedern und die Gleichstellung der Geschlechter fördern sowie Präferenzen der Mitglieder stärker berücksichtigen, sagt das Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit des Helmholtz-Zentrums Potsdam.

Hinter der Bezeichnung „Bürgerenergie“ verbergen sich verschiedene Arten von Projekten. So haben einige engagierte Bürgerinnen und Bürger in Gemeinden etwa aus Umweltgruppen oder Heimatvereinen heraus Energiegenossenschaften gegründet, während andere, meist größere Projekte, durch Gesellschaften, Banken, öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen initiiert wurden.

Durch die stärkere Förderung sowohl durch Einspeisevergütungen als auch durch eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht könnte es in Deutschland wieder mehr Bürgerenergie geben.  Zusätzlich soll mithilfe einer neuen finanziellen Kompensation für betroffene Kommunen die Akzeptanz von Wind- und Solaranlagen erhöht werden.

Was könnte die stärkere Förderung von Bürgerenergie für das Ziel bedeuten, mehr „Energiedemokratie“ zu etablieren?

Vor dem Hintergrund dieser Frage untersuchten Jörg Radtke vom Forschungszentrum für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam und Nino Bohn von der Universität Siegen umfangreiche Daten aus einer Umfrage unter den Mitgliedern in 85 Bürgerenergie-Projekten in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass Bürgerenergie nicht automatisch die Energiedemokratie stärke, so Jörg Radtke: „Die Politik muss die Grundlagen dafür schaffen, dass alle, also auch sozial benachteiligte Gruppen angesprochen werden. Dies sind im Falle von Bürgerenergie insbesondere jüngere, weibliche oder nicht-binäre Personen sowie Menschen mit geringem Einkommen. Außerdem müssen auch Bevölkerungsgruppen besonders berücksichtigt werden, die von der Umstellung auf neue Heizsysteme und Elektromobilität negativ betroffen sind.“

Die Ergebnisse im Detail:

Das Alter ist der wichtigste Faktor, der die Einstellung zu Bürgerenergieprojekten beeinflusst. Ältere Mitglieder betonen idealistische Motive starker, sie sehen Bürgerenergie als eine Art demokratische Praxis, die die lokale Gemeinschaft fördert. Jüngere Mitglieder haben eine eher pragmatische Einstellung, sie fühlen sich der lokalen Gemeinschaft weniger verpflichtet.

Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Männer und Frauen haben zwar ähnliche Motivationen und Prioritäten, Frauen stellen den Wert demokratischer Mitbestimmung jedoch stärker in den Vordergrund, während Männern die finanziellen Erträge des Projektes wichtiger sind. Für Frauen ist ein Bürgerenergie-Projekt mehr ein sozialer Ort des Miteinanders, der gelebten demokratischen Gemeinschaft. Männer hingegen betonen zwar ideelle Werte als Ausgangsmotiv, doch in der Ausführung und Praxis der Organisation ist ein professionelles Management für sie entscheidend.

Das Einkommen macht ebenfalls einen Unterschied, hat aber weniger Einfluss als Alter und Geschlecht. Mitglieder mit höherem Einkommen sind mehr an Rendite interessiert und weniger idealistisch eingestellt.

Bei der Motivation zeigt sich, dass akademisch gebildete Mitglieder mehr von den Vorteilen der regionalen Wertschöpfung überzeugt sind, während Nicht-Akademikerinnen und Nicht-Akademiker das Gemeinschaftsgefühl in Bürgerenergie-Projekten in den Vordergrund stellen.

Damit die Projekte integrativer und vielfältiger werden, empfehlen die Autoren, dass Bürgerenergie-Projekte gezielte Angebote für nicht akademisch gebildete Menschen schaffen und eine Gemeinschaftsstruktur aufbauen, die auch für Menschen mit weniger Vorwissen einladend ist. Neue Mitglieder sollten sich repräsentiert wissen und mit dem Projekt identifizieren können.


Quelle:

rifs-potsdam.de/mehr-teilhabe-der-energiewende-wie-buergerenergiegenossenschaften-neue-zielgruppen-erreichen

Mehr Bürger an Energieprojekten beteiligen ist das Ziel

Auch Bürgersonnenkraftwerke sind Bürgerenergie