Ampel auf Grün – und doch kein „Go“

Anfang März 2022 legt das neue Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den ersten Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2023 (EEG 2023) vor. Es nimmt zahlreiche Änderungen bei der Förderung erneuerbarer Energien vor, legt aber auch noch einiges auf Eis. Betroffene Verbände melden sich zu Wort, denn es gibt Verbesserungsbedarf.

Energieerzeugung im öffentlichen Interesse

Die langfristig bedeutendste Änderung ist wohl die Erhebung der Erneuerbaren in den rechtlichen Adelsstand: „Errichtung und Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“ Dies hat weitreichende Konsequenzen für alle Genehmigungsschritte, besonders bei Wind- und Freiflächen-PV-Anlagen.

Ausbauziele ausgeweitet

Die Ausbauziele für die Erneuerbaren werden erheblich ausgeweitet, schon in acht Jahren sollen 80% der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien stammen. Ambitioniert, besonders was die Fluktuation und damit einhergehenden Integration der Erneuerbaren in das Energiesystem und die notwendige Zwischenspeicherung anbelangt. Der Neubau von Photovoltaik soll schrittweise von zurzeit 5,3 Gigawatt auf 20 Gigawatt vervierfacht werden.

EEG-Umlage abgeschafft

Die EEG-Umlage soll wohl schon zur Jahresmitte abgeschafft werden, die Kosten übernimmt der Energie- und Klimafonds, also der Steuerzahler. Auch wenn dies für PV-Anlagenbetreiber keine direkte Auswirkung hat, freut den Verein der Abbau der damit verbundenen Bürokratie.

Deckel ab, Vergütungsätze gehoben

Kurzfristig ist für die Photovoltaik wohl die schnelle Anhebung der Vergütungssätze von größter Bedeutung. Der vom Verein immer wieder kritisierte „Atmende Deckel“, der die Vergütungssätze regelmäßig in den Keller getrieben hatte, ist endlich weg. Künftig findet die Absenkung nur noch 2 mal jährlich statt, um jeweils 1% im Februar und August.

Die neuen Vergütungssätze sollen Großteils ab sofort, d.h. mit Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesanzeiger gelten, um ein Abwarten bei der Neuerrichtung zu verhindern.

Netzeinspeisung übervorteilt

Aber auch zweifelhafte Neuerungen sind geplant: Die reine Netzeinspeisung soll erheblich besser vergütet werden als der Stromverkauf vor Ort. Dies benachteiligt Anlagen, die nur einen kleinen Teil der Energie vor Ort nutzen und führt bei Selbstversorgern dazu, kleinere Anlagen zu bauen. Den Verein trifft es, da der Stromverkauf vor Ort bisher bei allen Neuanlagen eingeplant und oft zur Bedingung des Dachgebers für die Vermietung gemacht wurde.

 

Vorgesehene Vergütungssätze für PV-Anlagen auf oder an Gebäuden in €-Cent pro kWh

 

Anlagenleistung

Veräußerungsform

bis 10 kWp

bis 40 kWp

bis 100 kWp

bis 400 kWp

bis 1 MWp

Reine Netzeinspeisung

12,50

 

10,30

8,50

7,30

Netzeinspeisung und Stromnutzung vor Ort

6,93

6,85

 

 

5,36

 

Netzanschluss … verschoben

Einen entscheidenden Punkt, die Beschleunigung des Netzanschlusses, hat die neue Regierung auf das nächste Jahr verschoben. Hier ist es zwar besonders dringend, wird aber auch ziemlich kompliziert. Ursachenermittlung, Stakeholderdialoge u.a. mit den Netzbetreibern, Bürokratieabbau und das Erarbeiten praxisgerechter Lösungen sind lange von der Vorgängerregierung verschlafen worden. Es steht zu befürchten, dass bis zu einer Lösung zwar hohe Zubauzahlen vermeldet werden können – diese werden aus den betriebsfertig gemeldeten Anlagen ermittelt – aber tatsächlich kaum zusätzlicher Sonnenstrom erzeugt wird, da fast alle Anlagen nach Betriebsfertigstellung noch viele Monate auf den Netzanschluss warten müssen.

Speichern ent-diskriminiert

Gut ist es, dass Batteriespeicher jetzt bezüglich Umlagen nicht mehr als Erzeuger und gleichzeitig Verbraucher betrachtet werden. Bisher wurde die Zwischenspeicherung bestraft, da doppelt Umlagen gezahlt werden mussten. Dennoch fehlt bisher ein eigenes Speichergesetz, das Geschäftsmodelle für den Betrieb von Batteriespeichern ermöglicht. Bitter nötig je höher der Anteil Erneuerbarer wird, aber stets negiert von Netzbetreibern, die Angst um ihre Geschäftsmodelle haben.

Reichlich Kritik

Die Kritik ist – für ein grün geführtes Ministerium, dass die Förderung der Erneuerbaren ernsthaft beteiben will – sehr laut. Offenbar ist der Minister mit seinen Wünschen noch nicht bis zu seinen Mitarbeiter*innen in der juristischen Abteilung durchgedrungen. Die juristische „Handschrift“ ist jedenfalls noch die gleiche wie unter Altmaier: Unnötig kompliziert, verschachtelt und nur von Volljuristen verständlich.

BBEn

Das Bündnis Bürgerenergien (BBEn), dem auch der Verein angehört, kritisiert, dass kaum Bürokratieabbau stattfindet. Dies benachteilige gerade kleine Marktteilnehmer, zu denen sich auch die Sonneninitiative noch zählt.

Ebenfalls bemängelt das BBEn die starke Spreizung der Einspeisesätze bei Anlagen mit oder ohne Verbrauch vor Ort. Dies sollte durch einen gleitenden Übergang abgefedert werden, der berücksichtigt, dass gerade bei mittelgroßen Anlagen oft nur ein kleiner Teil des Stroms vor Ort genutzt werden kann.

Solarförderverein

Die Kritik des Solarfördervereins aus Aachen (SfV) ist sehr differenziert und weitgehend. Unter anderem fordert der SFV eine viel höhere Einspeisevergütung von 16 ct/kWh für kleine Anlagen, bemängelt, dass die im Koalitionsvertrag versprochene Solarpflicht vertagt wurde, und kann den versprochenen Bürokratieabbau im EEG 2023 nicht finden. „Wir brauchen einfache und transparente Antrags- und Anschlussverfahren, wirtschaftlich klare Vergütungsregeln und verständliche Abrechnungs- und Messpflichten“.

Der SFV setzt sich für eine Beibehaltung der EEG-Umlage ein, will dort aber gerade die stromintensive Industrie in die Pflicht nehmen: „Auf jede Kilowattstunde, egal von wem verbraucht, muss die gleiche Umlage bezahlt werden.

BEE

Die Vorsitzende des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), Simone Peter, meint, der Referentenentwurf bleibt „deutlich hinter dem Möglichen und Notwendigen zurück. Er muss erheblich nachgebessert werden, um die klaffende Umsetzungslücke […] zu schließen“. Bei der Solarenergie bestünde erheblicher Nachbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen für die Stromnutzung vor Ort und bei innovativen Projekten.

BDEW

Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) hat gleich „30 Vorschläge für einen PV-Turbo“. Unter anderem fordert der BDEW für kleine PV-Dachanlagen den Abbau bürokratischer Hürden. Das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur sollte zur „One-Stop“-Anmeldezentrale werden, die alle weiteren Anmeldungen, z.B. beim Finanzamt oder dem Netzbetreiber, ersetzt. Die Regelungen zum Netzanschluss sollte vereinheitlicht und standardisiert werden, der Netzausbau muss vereinfacht und beschleunigt werden.

BSW

Auch dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) ist die Splittung der Vergütungssätze für Anlagen mit und ohne Stromnutzung vor Ort ein Dorn im Auge und möchte wieder einheitliche Vergütungssätze. Diese müssten außerdem auf ein wirtschaftliches Niveau erhöht werden. „Die vorgeschlagenen Vergütungssätze sind sowohl mit als auch ohne Eigenverbrauch unzureichend, um die notwendigen Investitionsimpulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen,“ so der BSW in seiner Erstbewertung des Referentenentwurfs.

Gerade der Weg hin zu mehr Prosumern, der sich in den letzten Jahren so gut entwickelt habe, werde mit der Splittung der Vergütungssätze verbaut. „Große PV-Anlagen mit geringer Eigenverbrauchsquote werden bei einer Zweiteilung der Vergütungssätze weiterhin nicht realisiert werden und das Potenzial ungenutzt bleiben.“ „Die jährliche Wechselmöglichkeit zwischen den beiden Tarifen ist grundsätzlich positiv, setzt aber eine Umstellung des Messsystems inklusive neuer Zähler voraus.

Sonneninitiative

Auch die Sonneninitiative hofft auf Nachbesserungen bei der geplanten Diskriminierung der Vor-Ort-Energie. Hat da die Energiewirtschaft ihren Einfluss geltend gemacht oder wie konnte so etwas im grünen Ministerium durchrutschen?

Die neuen Vergütungssätze für Anlagen mit Verbrauch vor Ort liegen auf dem gleichen Niveau wie beim aktuellen EEG 2021. Die Wirtschaftlichkeit von Dachanlagen ist also nach wie vor nicht gegeben. So wird das nichts mit mehr Solarzubau. Da hätten 4-5 ct/kWh drauf gepackt werden müssen, vor allem bei den zurzeit steigenden Systempreisen.

Sehr begrüßt der Verein den Bürokratieabbau durch den Wegfall der EEG-Umlage. Die aufwändige Erklärung und Abrechnung der Umlage mit den Übertragungsnetzbetreibern entfällt. Davon bitte mehr, zum Beispiel bei der Anlagenregistrierung, dem Einspeisemanagement, den Redispatch-Maßnahmen und vor allem beim Netzanschluss.

Einfacher wird es leider trotzdem nicht, das EEG. Durch ganze 260 Seiten Referentenentwurf muss man sich wühlen, will man die Wirtschaftlichkeit von geplanten PV-Anlagen für die nächsten Monate berechnen. Vielleicht gelingt der Ampel unter Führung Habecks ja eine grundsätzliche Entschlackung des EEG im nächsten Anlauf 2023.

 

Ausblick

Das Gesetz soll mit dem sogenannten „Osterpaket“ im April durch den Bundestag gehen und dann größtenteils sofort gelten. Der vorliegende Referentenentwurf wird sicher noch geändert, stammt er doch noch aus der Zeit vor dem Ukrainekrieg. Leider gewinnt das Argument der Versorgungssicherheit, das der Verein schon seit 2003 neben dem Klimaschutz immer wieder hervorhebt, jetzt perfide Aktualität. Die Antwort kann nur ein noch schnellerer Umstieg auf Erneuerbare sein, damit wir kriegstreibendes Öl und Gas schnell ersetzen können.

Die Karikatur stammt zwar noch aus der Ära Altmaier, passt aber leider immer noch. © Burmester/SFV

Höher, weiter, komplizierter? Das neue EEG 2023 sollte noch nachgebessert werden.

Den Stromverkauf vor Ort sollte man lieber den Netzbetreibern überlassen, meint der Referentenentwurf zum neuen EEG 2023.