100-Tage-Programm für Photovoltaik

Der Ausbau der Erneuerbaren muss beschleunigt werden. Darin sind sich (fast) alle einig. Doch wie? Es mangelt nicht nur an guten Gesetzen. Der Verein versetzt sich in die kommende Regierung und überlegt: Wo hängt es wirklich?

Bürokratieabbau: Klare und einfache gesetzliche Rahmenbedingungen

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde von einem erfolgreichen dreizehn Seiter mit 12 Paragraphen zu einem über 600.250 Seiten umfassenden Gesetzeswerk mit 105 Paragraphen, 5 Anlagen und zig Verordnungen aufgeblasen. Nicht jede der hinzugekommenen Regelungen hatte die notwendige Klärung von Grenzfällen zum Inhalt. Viele Vorschriften dienten dazu, Marktzugänge zu erschweren, dem Ausbau der Erneuerbaren einen „Deckel“ aufzusetzen oder einfach nur Bürokratie aufzubauen.

Ohne juristischen Rat ist die Inbetriebnahme einer EEG-Anlage heute nicht mehr möglich. Eine Vereinfachung und Entschlackung sollte in den ersten 100 Tagen in Angriff genommen werden.

Netzbetreiber unterstützen: Stärkung der organisatorischen Infastruktur

Nein, neue Netze braucht die Energiewende nicht. Aber neue Sachbearbeiter. Bei jedem Projekt, das auf seine Machbarkeit beurteilt werden soll, muss vorab eine Anfrage an den Netzbetreiber gestellt werden, ob das Netz die zusätzliche Last verkraftet. Und dies schon in einer Phase, bei der sich die Beteiligten nur ein Bild darüber machen wollen, ob eine PV-Anlage überhaupt in Frage kommt. Auf die Antwort wartet man ggf. Wochen bis zu Monaten.

Hier müssten die Netzbetreiber entlastet und beim Aufbau von schlagkräftigen Abteilungen unterstützt werden, damit solche Anfragen künftig zeitnah beantwortet werden können.

Einheitliche Regeln: Vereinfachung der Netzanschlüsse

Der Personalmangel bei den Netzbetreibern sorgt für eine Verzögerung bei den Netzanschlüssen. Hinzu kommt, dass jeder Netzbetreiber seine eigenen Regeln für sein Netz aufgestellt hat. Das macht die Planung unnötig aufwändig.

Vorschlag: Anschlussregeln vereinheitlichen und die Netzbetreiber für jede angeschlossene EE-Anlage belohnen.

Netzintegration fördern: Förderung Aufbau der AC-Seite

Die Kosten einer Photovoltaikanlage bestimmen sich längst nicht mehr nur nach den Modulen. Der immer größer werdende Teil der Kosten geht in die Wechselstromseite (AC-Seite), also der Einbindung der Anlage in Haustechnik und öffentliches Netz. Zwei gleich große Anlagen könne sich um 30% oder mehr in den Kosten unterscheiden, wenn sich die Bedingungen vor Ort und die Vorschriften der Netzbetreiber unterscheiden.

Eine Förderung der AC-Seite, ähnlich wie bei Ladesäulen, könnte helfen.

Netzausbau fördern: Zuschüsse für den Aufbau von Verteilnetzen

Der Netzbetreiber hat nach EEG auf seine Kosten das Netz zu erweitern, wenn erneuerbare Energien-Anlagen nur so an sein Netz angeschlossen werden können. Dies führt zu ständigem Gerangel über Netzverknüpfungspunkte und ewiger Verzögerung des Netzanschlusses. Letztendlich werden Anschlusswillige zu (eigentlich widerrechtlichen) Kostenbeteiligungen genötigt, um endlich angeschlossen zu werden.

Eine (teilweise) Kostenübernahme des Netzausbaus, z.B. in Form einer Umlage, könnte die Motivation zum Ausbau der Vertreilnetze deutlich erhöhen.

Verwaltung entschlacken: Vereinfachung der Abrechnung

Manche Projekte rechnen den erzeugten Strom mit bis zu vier Marktteilnehmern ab. Der Stromverbraucher (1) erhält die Rechnung für den vor Ort genutzten Strom. Mit dem Übertragungsnetzbetreiber (2) muss die „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage) abgerechnet werden. Der ins Netz eingespeiste Strom wird vom Direktvermarkter (3) gezahlt, aber nur ein Teil. Der andere Teil kommt vom Netzbetreiber (4). Natürlich sitzt als (5) fünfter Partner noch das Finanzamt mit im Boot, das von allem noch die Umsatzsteuer haben möchte – außer es gibt eine Sonderregelung.

Dieses unnötigerweise komplexe Abrechnungsverfahren – eine durchschnittliche Solaranlage kommt mit Abschlagszahlungen schnell auf hundert oder mehr Verwaltungsvorgänge im Jahr – verursacht Kosten, verhindert Transparenz und hält auf diese Weise viele Bürgerinnen und Bürger vom Bau von Solaranlagen ab.

In den ersten hundert Tagen muss die kommende Regierung dringend für erhebliche Vereinfachung bei den Abrechnungen sorgen.

Verlässliche Rahmenbedingungen: Verstetigung der Gesetzgebung

Der manchmal hektische und scheinbar planlose Gesetzgebungsprozess beim EEG muss Projektierern längere Vorlaufzeiten ermöglichen. Es kann nicht sein, dass bei siebenstelligen Investitionen die Vergütungshöhe erst nach Inbetriebnahme bekannt wird. Auch der schon länger bestehende „Atmende Deckel“ ist so konstruiert, dass die Vergütungshöhen für das nächste Quartal erst wenige Tage vorher feststehen.

Auch Gesetzesänderungen, die nicht die Vergütung betreffen, werden zuweilen erst wenige Tage vor Inkrafttreten veröffentlicht, manchmal auch erst danach. Berücksichtigt man, dass die Regelungen erst für die Praxis ausgelegt werden müssen, dauert es oft Wochen bis Monate bis Jahre, bis Rechtsklarheit herrscht.

Liebe künftige Regierung: Lasst uns ein wenig Zeit, Projekte, Baustellen und Lieferketten einzutakten. Mindestens ein halbes Jahr sollte zwischen Veröffentlichung und Inkrafttreten eines Gesetzes liegen.

Grenzen überwinden: Verringerung von Anlagenklassen

Aus dem EEG, dem Messstellenbetriebsgesetz oder dem Energiewirtschaftsgesetz haben sich verschiedene Größenklassen von PV-Anlagen entwickelt, die jeweils unterschiedlichen Regelungen unterliegen. Jedes Gesetz und jede Verordnung lässt sich dabei eigene Grenzen einfallen, so dass ständig neue Größenklassen entstehen:

  • ab 7 kWp müssen Anlagen mit Smart Metern ausgerüstet werden
  • bis 10 kWp geht die 1. Vergütungsstufe
  • ab 25 kWp muss eine Anlage fernsteuerbar sein
  • bis ca. 30 kWp (genauer 30.000 kWh/a) muss keine EEG-Umlage für den Selbstverbrauch abgeführt werden. Ab 1.1.2021 wurde diese Grenze – auch für Altanlagen – von 10 kWp auf 30 kWp angehoben.
  • bis 40 kWp geht die 2. Vergütungsstufe
  • ab 100 kWp muss direkt vermarktet werden und gilt die 3. Vergütungsstufe
  • ab 300 kWp muss eine Anlage in die Ausschreibung und kann dabei keinen Selbstverbrauch haben oder kann nur max. 50% der Energie ins Netz einspeisen
  • ab 750 kWp muss die Anlage immer in die Ausschreibung und darf keinen Selbstverbrauch haben
  • ab 20 MWp erhalten Anlagen gar keine EEG-Vergütung

Die jeweiligen Größenklassen haben direkten Einfluss auf die Kosten einer Anlage. Deshalb wird man sich beispielsweise überlegen, ob man eine Anlage mit 120 kWp baut oder lieber auf 99 kWp geht, damit man sich die aufwändige Direktvermarktung spart. Als Hausbesitzer überlegt man, ob man 9 kWp installiert oder nur 7 kWp und sich damit die Kosten für ein Smart Meter spart. Hier geht jede Menge leicht erschließbares Potenzial verloren!

Wir bitten die Politik auch hier um Vereinheitlichung und Vereinfachung. Natürlich muss es gewisse Grenzen geben. Aber so ein Wildwuchs? Warum nicht die Smart Meter-Pflicht erst ab 10 kWp, zusammen mit der 1. Vergütungsstufe? Oder die 25 kWp- mit der 30 kWp- und der 40 kWp-Klasse zusammenlegen? Die Energiewende erfordert erst einmal eine Bürokratiewende!

Fazit:

Um die Klimaziele zu erreichen, ist der massive Ausbau der Erneuerbaren zwingend notwendig. Das geht nur, wenn Investoren und Netzbetreiber wieder Spaß daran haben. Dabei ist die Vergütung nur ein Aspekt. Die wahren Spaßbremsen sind komplexe technische und steuerliche Vorschriften, die Unsicherheit und längst nicht mehr verhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für Verteilnetz- und Anlagenbetreiber verursachen.

Liebe neue Regierung: Für das Gelingen der Energiewende ist eine echte Bürokratiewende und eine Stärkung der Verteilnetzbetreiber notwendig – am besten innerhalb der ersten 100 Tagen.

 

Was muss in den ersten 100 Tagen einer neuen Regierung unter dieser Kuppel entschieden werden, damit das Potenzial der Sonne entfesselt wird?

Sonnenenergie macht Spaß. Viel Papier verdirbt den Spaß.