So dreckig und giftig ist die Kohleverstromung wirklich

Kohlekraftwerke schleudern Stickoxide, Schwefeldioxid und giftige Schwermetalle in die Luft. Das Grundgesetz gebietet dem Staat, dies zu verhindern. Dennoch werden schärfere Grenzwerte verzögert.

Jahrelang gelangten durch manipulierte Dieselfahrzeuge mehr Schadstoffe in die Umwelt als erlaubt. Um Geld zu sparen, hatten Autokonzerne Gesundheitsrisiken für Millionen Menschen in Kauf genommen. Denn die Nachrüstungen sind teuer und aufwendig. Autohersteller drückten sich jahrelang darum, ihre Autos auf den neuesten Stand der Technik zu bringen.

Doch neben dem Diesel gibt es für die Atemluft noch eine andere große Gesundheitsgefahr: Kohlekraftwerke. Über 100 Braunkohle- und Steinkohlemeiler stoßen hierzulande Stickoxide, Schwefeldioxid und Schwermetalle wie z.B. Quecksilber aus.

Dabei gibt das Grundgesetz vor, dass die „natürlichen Lebensgrundlagen“ des besonderen Schutzes durch den Staat bedürfen (siehe Grafik). Die Regierung ist also verfassungsgemäß verpflichtet, alles für die Reinhaltung der Luft zu tun.

Doch was passiert? Zwar gibt es Grenzwerte, aber die sind in Deutschland laut EU-Kommission zu hoch. Vor einem Jahr setzte eine Mehrheit der 28 EU-Mitgliedsstaaten verschärfte Grenzwerte für Industrie-Emissionen, insbesondere für sogenannte „Großfeuerungsanlagen“, durch – gegen den Willen der Bundesregierung und anderer Braunkohleländer wie Polen und Bulgarien. Ab 2021 müssen die schärferen Grenzwerte für den Schadstoffausstoß dann von allen 2900 europäischen Großkraftwerken eingehalten werden.

Ab dann dürfen Braunkohle-Blöcke nur noch maximal 175 Milligramm Stickoxide je Kubikmeter ausstoßen – derzeit sind es in Deutschland bis zu 200 Milligramm. Bisher ist der deutsche Grenzwert sogar lascher als in den USA – mit nur 117 Milligramm. Sogar China hat seine Stickoxid-Emissionen auf 100 und für Neuanlagen sogar auf 50 Milligramm je Kubikmeter gedeckelt.

Rund ein Drittel der Belastung durch Stickoxide in Deutschland entsteht durch die Verbrennung von Gas, Öl, Holz und Kohle. Spitzenreiter sind hier die Kohlekraftwerke – vor allem die besonders emissionsintensive Braunkohle. Laut Umweltbundesamt könnten durch die neuen EU-Grenzwerte rund 5000 Tonnen Stickoxide vermieden werden, ungefähr so viel wie 700.000 Diesel-PKW jährlich in die Luft blasen.

Bisher sind die Versuche der deutschen Regierung, die strengere Verordnung für die „Großfeuerungsanlagen“ auszubremsen, gescheitert – auch Ende Juli 2017 der Versuch, den Grenzwert von den 175 der EU auf 190 Milligramm nach oben zu schieben. Bislang hatte die Bundesregierung unliebsame Regulierungen aus Brüssel, z.B. bei den CO2-Grenzwerten für PKW, immer im letzten Moment verwässern können.

Auch ein Jahr nach der verlorenen Abstimmung will das Umweltministerium sich auf keinen Termin für eine Umsetzung der neuen Grenzwerte für die Kohleverbrennung festlegen. Das erfolge zu einem „späteren Zeitpunkt“, dennoch würden die Änderungen noch „fristgerecht“ umsetzt. Laut dem Bundesemissionsschutzgesetz hätte die Regierung aber zwölf Monate nach dem EU-Beschluss schon eine Änderung der entsprechenden Verordnung veröffentlichen müssen. Man kann vermuten, dass die Bundesregierung auf Zeit spielt, bis die Kohlekommission Ende 2018 entschieden hat, wie es überhaupt mit der Kohle in Deutschland weitergeht.

Die Kohleverstromung ist weit dreckiger als man denkt. Die Folgekosten sind gigantisch.