Wie werden wir klimaneutral?

„Der Klimaschutz ist eine Frage von Leben und Tod“, warnt UN-Generalsekretär António Guterres. Doch lassen sich Kohle, Öl und Gas ersetzen?

Den meisten Menschen ist klar, dass die Nutzung von Kohle, Öl und Gas schnellstmöglich beendet werden muss. Noch sei dieses Ziel möglich, heißt es im aktuellen UN-Report und im Bericht des Weltklimarates. Nur zögern dürfe man jetzt nicht mehr.

Die Stromversorgung aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft ist inzwischen kein Hexenwerk mehr. Entscheidend ist der richtige Mix je nach Wetterlage und Region sowie Batterien – und als Langzeitspeicher Wasserstoff. Dieser lässt sich speichern und im Verkehr und in der Industrie verwenden. Unter der Zugabe von CO2 aus der Luft lassen sich aber auch synthetische Kraftstoffe herstellen und damit Erdgas und Ölprodukte wie beispielsweise der Flugtreibstoff Kerosin ersetzen.

Wie das bis 2050 in Europa gehen könnte, errechnete jetzt ein Team von 14 Wissenschaftlern um Christian Breyer von der Lappeenranta University of Technology in Finnland und Hans-Josef Fell von der Energy Watch Group in einer Studie. (>> hier)

Die Forscher fütterten ihre Hochleistungsrechner in Finnland mit allen verfügbaren Daten, vom Wetter in den Regionen, vom stundengenauen Energiebedarf in Europa sowie den Kosten für alle Energien und Speichertechnologien. „Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem“, sagt Hans-Josef Fell. „Deshalb sollten die europäischen Politiker viel mehr für den Klimaschutz tun, als derzeit anvisiert.“

Die Studie zeigt, dass eine große Elektrifizierung für die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung erforderlich ist. Im Vergleich zu heute würde die Stromerzeugung auf das Vier- bis Fünffache bis 2050 ansteigen und dann mehr als 85 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Europa decken. In Europa insgesamt würde der Strombedarf demnach vor allem von Solarenergie (62 Prozent) gedeckt, gefolgt von Windkraft (32 Prozent), Wasserkraft (vier Prozent), Bioenergie (zwei Prozent) und Geothermie (unter einem Prozent).

Mehr Jobs durch erneuerbare Energien

Durch den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gehen zwar Arbeitsplätze in der fossilen Industrie verloren. Auf der anderen Seite entstehen aber neue Jobs in den umweltfreundlichen Technologien. Die Studie sieht einen Zuwachs von rund einer Million Jobs bis 2050 in der Branche. Das wären im Vergleich zu heute mehr als 30 Prozent zusätzliche Arbeitsplätze.

Laut EU-Klimakommissar Arias Cañete würden mit einem sauberen Energiesystem zudem Gesundheitskosten von rund 200 Milliarden Euro pro Jahr in Europa eingespart. Hinzu komme die Einsparung von Energieimporten von derzeit rund 266 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Autoren der Studie empfehlen den Umbau zu emissionsfreien Technologien mit entsprechenden Anreizen kräftig zu stimulieren. Dazu gehöre die Abschaffung von Subventionen und Steuervergünstigungen für Kohle und fossile Brennstoffe, die Integration von Umweltschäden mit Steuern auf CO2 und Brennelemente sowie feste Einspeisevergütungen für Investoren. „Die Einspeisevergütung ist ein ganz wesentliches Element, damit der Umbau schnell gelingt“, betont Fell.