Kostete eine Megawattstunde Strom vor einem Jahr noch 83 Euro, sind es nun über 640 Euro. Heruntergerechnet auf die für Privathaushalte üblichere Einheit Kilowattstunde heißt das: 64 Cent statt einst 8 Cent, eine Verachtfachung des Preises.
Gas- und Strompreis hängen eng miteinander zusammen. Grund dafür ist ein Marktmechanismus, das Merit-Order-Prinzip. Das bedeutet so viel wie „Einsatzreihenfolge“. Ist die Nachfrage nach Strom gering, liefern zunächst all jene Kraftwerke den Strom, die günstig produzieren können. In Deutschland sind das vor allem die erneuerbaren Energien, die Strom quasi zum Nulltarif aus Wind, Sonne oder Wasserkraft gewinnen.
Doch manchmal reicht dieser Strom nicht aus oder es wächst die Nachfrage durch europäische Nachbarn. Das ist aktuell besonders Frankreich, das durch Wartungsarbeiten und fehlendes Kühlwasser durch ausgetrocknete Flüsse seine bevorzugte Stromquelle Atomkraft drastisch reduzieren muss. Frankreich produziert normalerweise 70 Prozent seines Stroms mit 56 AKW, davon sind aber jetzt nur noch 20 aktiv. Also: Stromimport vor allem aus Deutschland und Spanien.
6,5 Gigawatt Kraftwerksleistung sind in Deutschland allein für die Lieferung an den Atomstaat Frankreich nötig, soviel wie 6 AKW produzieren würden. Die Energieproduzenten schalten dann Kraftwerke hinzu, die auf teure fossile, Energieträger setzen: Braunkohle, Steinkohle, am Schluss auch teures Erdgas.
Strom ist ein Einheitsprodukt mit einem Einheitspreis. Kommt er einfach aus der Steckdose, lässt sich nicht unterscheiden, aus welcher Quelle er stammt. Denn die Kraftwerksbetreiber speisen den Strom lediglich ins gesamte Netz ein, können aber keinen Abnehmer gezielt ansteuern.
Sobald eines der teuren Gaskraftwerke ans Netz geht und der dort produzierte Strom wegen erhöhter Nachfrage auch zu einem höheren Preis gekauft wird, zieht auch der Preis für die übrigen Stromsorten sofort an. Denn wäre das nicht so, hätten die Kraftwerksbetreiber keinen Anreiz, die teuren Gasturbinen anzuschmeißen. Sie würden dann auf ihren Kosten sitzen bleiben und Verluste schreiben. In diesem Fall wiederum gäbe es nicht genügend Strom, es käme zu Stromausfällen.
Fein raus ist, wer möglichst viel billigen Strom für den Eigenverbrauch produziert, zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage. Auch Verbraucher, die von solchen Anlagen direkt beliefert werden, profitieren vom günstigen Strom. Dezentrale erneuerbare Energien sind hier also klar im Vorteil.
Eine Strukturreform des Strommarktes auf Netzebene kann es nur auf EU-Ebene geben. Dazu soll das Thema am 9. September im Rahmen eines Sondertreffens der EU-Energieminister besprochen werden.