Versicherungspflicht gegen Klimakrise?

Hagelgewitter nehmen in Europa zu, das ist ein Ergebnis der Bilanz, die der Rückversicherer Munich Re zieht.

Etwa 135 Milliarden Euro haben 820 Naturkatastrophen 2019 weltweit gekostet. Das hat der Rückversicherer Munich Re in seiner Naturkatastrophenbilanz ermittelt.

Versichert war dabei nur ein Drittel der Schäden, was immer noch 47 Milliarden Euro sind, die Versicherer bezahlen mussten. Im langjährigen Schnitt sei die Hälfte aller Schäden aus Naturkatastrophen versichert, sagt der Klimaforscher der Munich Re, Ernst Rauch. „Die Versicherungslücken werden immer kleiner“, stellt er mit Blick auf Industrieländer klar.

Einerseits sorgt der Klimawandel für immer mehr Extremwetter und führt damit die Notwendigkeit vor Augen, sich dagegen zu versichern. Andererseits entfacht steigendes Risiko auch Prämiendruck. Wenn Policen teurer werden, kann oder will sie sich nicht jeder leisten. Nicht die Versicherbarkeit sondern die Bezahlbarkeit von Policen sei deshalb das Problem, so Rauch.

Das treffe vor allem Entwicklungsländer und arme Bevölkerungsschichten. Ein Zyklon im südostafrikanischen Mozambik hat nicht nur über 1000 Menschenleben gekostet, sondern auch zwei Milliarden Euro. Versichert war fast nichts. Bei einem Taifun in Japan, als teuersten Versicherungsfall 2019 mit gut 15 Milliarden Euro Schaden, waren dagegen neun Milliarden Euro versichert.

In Europa sei eine Kombination aus Hitzewellen gefolgt von Ernteeinbußen und schweren Unwettern mit Hagel 2019 größter Schadenstreiber gewesen. In Deutschland lag ein Unwetter im Großraum München mit golfballgroßen Hagelkörnern und fast einer Milliarde Euro Schaden an der Spitze der Statistik.

Bei ähnlichen Unwettern an der Adria haben die Körner die Größe von Orangen erreicht und Autos wie Hausdächer zerschmettert. „Neuere wissenschaftliche Untersuchungen lassen erwarten, dass Hagelgewitter in vielen Regionen durch den Klimawandel zunehmen“, warnt Rauch. Auch Sturzfluten in Folge von Starkregen seien ein klimabedingt wachsendes Risiko.

Das bestätigt Ökonomieprofessor Gert Wagner (TU Berlin). „Starkregen sind das Hauptproblem, weil sie überall auftreten können“, sagt der Ex-Chef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Die Zeit sei reif für eine Versicherungspflicht, findet Wagner. Denn Versicherungslücken gibt es auch hier. Während fast alle deutschen Hausbesitzer gegen Sturm und Hagel versichert sind, haben nur 43 Prozent eine Police gegen Starkregen und Hochwasser.

„Eigentum verpflichtet“, sagt Wagner. Für 93 Prozent aller Hausbesitzer würde eine Wetterpolice nur 50 bis 100 Euro jährlich kosten. Auch bei riskanten Wohnlagen steige sie kaum über 500 Euro. Wer sich die Police nicht leisten kann, solle bezuschusst werden.