Solararchitektur aus Leidenschaft und Überzeugung

„Ich möchte die Energieerzeugung aus Sonnenlicht mit städtebaulicher Ästhetik versöhnen“, sagt Solararchitekt Hagen Plaehn im Gespräch mit Christian Quast vom Verein.

SI: „Herr Plaehn, was treibt Sie als Architekt, die Energieerzeugung in die Gebäudehülle zu integrieren?“

Plaehn: „Würde man die heute gebauten Photovoltaikanlagen im Stadtbild tatsächlich sehen, wäre die Energiewende in Deutschland lange nicht so weit wie heute. Photovoltaikanlagen auf Dächern sind einfach nicht besonders hübsch. Das lassen wir uns nur gefallen, weil man die Dächer sowieso nicht sieht. Wollen wir Energiegewinnung im Stadtbild etablieren, muss sie gut aussehen.“


      Bauhaus-Grundsätze neu interpretieren


SI: „Lange haben sich Architekten schwergetan, die Erzeugung erneuerbarer Energien überhaupt als ihre Aufgabe anzusehen. Ändert sich das jetzt?“

Plaehn: „Ja, als Architekt ist man, oder besser gesagt bin ich, stark geprägt durch mein Studium an der TU Braunschweig – eben halb Designer und halb Techniker. Und die Designer in uns haben sich viel zu lange gegen die ´blauen Platten´ gewehrt. Doch inzwischen gibt es großartige gestalterische Möglichkeiten, die denen passiver Gestaltungselemente in nichts nachstehen.

Der Bauhaus-Grundsatz von ´form follows function´ ist zwar knapp 100 Jahre alt, aber leider nicht in jedem Jahrzehnt neu interpretiert worden. Der Einsatz neuartiger Werkstoffe und Technologien in den Werkstätten des Bauhauses eröffnete damals in der Entwicklung von Alltagsgegenständen oftmals revolutionäre Perspektiven – nicht zuletzt auch unter ökonomischen Gesichtspunkten – in der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen aller Art, von der Lampe bis zur Architektur.

So wird es also langsam an der Zeit, diese neue Tür aufzustoßen. Und die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz bei Gebäuden, z.B. die EnEV, können wir natürlich nicht ignorieren. Was liegt da näher, als die Gebäudehülle komplett zu ´aktivieren´?

SI: „Warum gibt es dann nicht schon viel mehr solcher Projekte, wie Sie es gerade am Marburger Bahnhof umsetzen?“

 

      „Aktive“ Fassade ist günstiger als eine klassische, repräsentative Fassade

 

Plaehn: „Nun ja, da ist zuerst einmal die träge Masse. Damit muss man sich eben auseinandersetzen. Auch Architekten sind Menschen, die sich zunächst gern an Altbewährtem orientieren.

Und es geht natürlich auch um Geld. Eine aktive Gebäudehülle ist etwas aufwändiger als eine Passive. Zwar spart man den Mehraufwand später durch die Energieernte vielfach wieder ein, doch das spielt bei den Baukosten zunächst erst einmal keine Rolle. Es bedarf eines entsprechenden Geschäftsmodells, um diesen energetischen Schatz zu heben. Ich bin dem Verein Sonneninitiative mit seinen Investoren und den Stadtwerken Marburg sehr dankbar, dass sie zusammen einen passenden Business-Case entwickelt haben.“

SI: „Denken Sie, dass dieser Business-Case auch anderswo einsetzbar ist?“

Plaehn: „Selbstverständlich. Dazu benötigen wir zunächst ein Gebäude, bei dem eine repräsentative Fassade geplant ist. Diese können wir mit Hilfe örtlicher Energieversorger und privater Investoren ´aktivieren´. Der Bauherr bekommt von privaten Bürgern einen Teil der Investition für das Gebäude extern gestellt. Insgesamt benötigt das Gebäude so weniger Kapital als mit passiver Gebäudehülle und spart auch auf lange Sicht Kosten.

SI: „Apropos Bauherr: Welche Rolle spielt er?“

 

      Bauherr und Partner wollen es

 

Plaehn: „Der Bauherr ist für den Architekten der Auftraggeber. Letztendlich bestimmt er, was gebaut wird. Meine Aufgabe ist es, ihm die ästhetischen und technischen Möglichkeiten aufzuzeigen. Liegen die Kosten für die aktive Fassade unter denen einer passiven Fassade und sieht das auch noch gut aus, lässt er sich gerne überzeugen. Oft kommt der Bauherr schon mit dem Wunsch nach energetischer Optimierung auf mich zu. So war das auch bei dem Projekt am Marburger Hauptbahnhof. Als Radiologe hat Prof. Bien sowieso einen Bezug zu Strahlung – und als Wissenschaftler weiß er, was die Klimauhr geschlagen hat. Da brauchte es nur noch die Stadtwerke und den Verein für die Finanzierung und wir waren uns einig.“

SI: „Vielen Dank, Herr Plaehn. Wir würden uns freuen Sie zwischenzeitlich noch einmal zum Fortgang der Bauarbeiten befragen zu können.“

Plaehn: „Das mache ich sehr gerne.“


Hagen Plaehn vom Büro a.p.l. - architekten plaehn und lüdemann aus Hannover ist über plaehn(at)a-p-l(dot)net erreichbar.

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