Kohleausstieg: Täuschung mit Horrorzahlen?

Die Industrieverbände haben sich in der Kohlekommission weitgehend gegen die Umweltverbände durchgesetzt. Wie konnte es dazu kommen?

Gut ist, dass nach jahrelangem Stillstand endlich Bewegung ins Thema „Abschied von der Kohle“ gekommen ist. Doch es ist ein fauler Kompromiss, die Industrieverbände haben getrickst.

Ein beschleunigter Rückgang der Kohleverstromung verursache bis 2030 „erhebliche zusätzliche Kosten von mindestens 14 bis zu 54 Milliarden Euro“, behaupten die Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung. Von einer möglichen Entlastungen für Stromkunden durch einen vorzeitigen Kohleausstieg sprechen sie nicht.

Gestützt wird diese Aussage mit einer Analyse des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research im Auftrag von BDI und DIHK. Für Energiewende-Experten schienen die präsentierten Zahlen von Anfang an suspekt. „Der BDI und andere starke Lobbyverbände betreiben Panikmache in Sachen Strompreiseffekt des geplanten Kohleausstiegs“ sagt Hans-Josef Fell, Präsident von Energy Watch Group und Hauptautor des ersten deutschen Energieeinspeisegesetzes (EEG), dem Grundstein der Energiewende.

„Aus der Tatsache, dass der Ausbau erneuerbarer Energien die Großhandelspreise in Deutschland stark gedämpft hat, kann man folgern, dass mit einem Umstieg auf erneuerbare Energien dies so bleiben wird. Es ist abwegig, hier mehrere Milliarden Euro Zusatzkosten zu nennen" sagt Fell. Die Energieexpertin Claudia Kemfert wundert sich ebenfalls: „Offenbar hat man da sehr artifizielle Annahmen getroffen“ äußerte sie sich gegenüber der Deutschen Welle.

Fakt ist:

Von den Industrieverbänden wurde beim Beratungsunternehmen Aurora Energy Research ein sogenanntes Risikoszenario in Auftrag gegeben und dies mit einem politischen Zielszenario abgeglichen. Ein sogenanntes Chancenszenario wurde nicht beauftragt und war somit auch nicht erwünscht.

Es wurde „errechnet“, wie der Strompreis in Deutschland unter sehr extremen und unwahrscheinlichen Annahmen bis 2030 steigen könnte. Unterstellt wurde im Risikoszenario, dass der Ausbau der Erneuerbaren fast zum Erliegen kommt und von heute 40 Prozent auf nur noch 52 Prozent bis 2030 steigt. Darüber hinaus wird in dieser Annahme der Strom anstelle von Kohle mit Gas erzeugt, wobei der Gaspreis extrem steigt.

„Es ist immer die Frage, welche Annahmen man reinsteckt in so ein Modell“, sagt Patrick Graichen, Leiter der Denkfabrik Agora-Energiewende. „Im Kontext der entscheidenden Kohlekommissions-Sitzung ist das ein klassisches Papier, um da möglichst viel raus zu handeln.“

Die Erneuerbaren werden immer günstiger, effizienter, senken die Strompreise und verhindern Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden. Das ist volkswirtschaftlich ein enormer Kostenfaktor, den die Kohlekommission stärker hätte berücksichtigen müssen. So aber ist ein fauler „Kompromiss“ daraus geworden, bei dem sich die Kohleindustrie das größte Stück vom Kuchen genommen hat.

Der Abbau von Braunkohle muss endlich gestoppt werden.