Klimaschutz hat Verfassungsrang

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“ – Artikel 20a, Grundgesetz.

Darauf bezog sich das Urteil des Verfassungsgerichts zur Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung. Wer also den menschgemachten Klimawandel leugnet, bezweifelt oder verharmlost, gerät in Konflikt mit dem Grundgesetz. Gleichzeitig hat das Gericht in Karlsruhe eine beliebte politische Taktik beendet: Wenn wir Klimagrenzen überschreiten, erhöhen wir sie mal eben und verschieben sie weiter in die Zukunft. Damit ist jetzt Schluss.

Die Grundrechte schützen „vor einer umfassenden Freiheits-Gefährdung durch Verlagerung der  Treibhausgasminderungslast in die Zukunft“. Grundrechte seien dadurch verletzt, dass die bis 2030 zugelassenen Emissionsmengen die danach „verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren und dadurch praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet ist“.  Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung abgewatscht.

Minister Peter Altmaier (CDU) nannte das Urteil „epochal“ für den Klimaschutz und die „Rechte der jungen Menschen“. Dazu äußerte Fridays-for-Future lapidar: „Es ist dein Gesetz, Peter.“ Das Klimaschutzgesetz soll nun so aussehen: Der CO2-Ausstoß soll bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, bisher waren nur 55 Prozent vorgesehen. Und: „Wir werden alles daran setzen, bereits 2045 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen“, sagt Kanzlerin Angela Merkel, also fünf Jahre früher als bisher geplant.

Offen bleibt, wie genau die Ziele erreicht werden sollen und was die neuen Marken für Bereiche wie den Energiesektor oder den Verkehr bedeuten. Peter Altmaier räumte ein, einige Fragen seien „noch offen“. Es fehlen die nötigen Instrumente, mit denen die neuen Ziele erreicht werden sollen, die Details der CO2-Bepreisung und die Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch der Zeitplan zum Kohleausstieg ist noch nicht klar.

Beim Klimaschutzziel 2030 droht Schönrechnerei. Der GroKo fehlt die Kraft ihre Selbstblockade zu überwinden. Seit Jahren steht sie beim Ausbau der Photovoltaik und Windenergie auf der Bremse. Die Klimaaktivisten der Fridays-for-Future-Bewegung, die vor dem Verfassungsgericht erfolgreich waren, haben die Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes scharf kritisiert. „Das von der großen Koalition vorgeschlagene Klimaneutralitätsziel 2045 kommt dem Anspruch an Generationengerechtigkeit und konsequenten Klimaschutz nicht nach“, sagt deren Sprecherin Carla Reemtsma. „Ohne sofortige Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen bleiben die Ziele nur leere Ankündigungen.“

Auch für Lisa Göldner, Klima-Expertin von Greenpeace, reicht das neu erklärte Klimaziel nicht aus: „Deutschland muss den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 um mindestens 70 Prozent verringern. Nur dann lassen sich die Rechte der jungen Generation sichern. Und nur dann orientiert sich die deutsche Klimapolitik endlich am Klimaabkommen von Paris.“

Gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen sind alle Staaten aufgefordert, spätestens bis zur nächsten Klimakonferenz im November neue, ambitioniertere Ziele vorzulegen. Für die Bundesregierung scheint das mit der angekündigten Nachbesserung getan zu sein. Doch die ist den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und den höheren EU-Klimazielen geschuldet. Eigene Ambitionen der Regierung lassen sich nicht erkennen, von einem neuen politischen Klima-Ehrgeiz ist nichts zu spüren.

Anders ist es bei Deutschlands Bürgern: Sie investieren in Erneuerbare und treffen damit wirtschaftliche Entscheidungen für mehr Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit, weit über 2030 hinaus. Durch ihr Engagement bauen sie einen Weg für die nächsten Generationen – ohne erst Entscheidungen zur Auslegung des Grundgesetzes abzuwarten.