Grünes Gas und Atomkraft?

Hurra, drei weitere deutsche Atomkraftwerke sind stillgelegt. Doch die EU geht einen anderen Weg.

Von den einstmals 19 Reaktoren in Deutschland sind jetzt nur noch drei am Netz, doch auch sie müssen Ende 2022 schließen. Doch die EU-Kommission will Erdgas- und Atomprojekte als nachhaltig einstufen. Das ist das Gegenteil von Umweltschutz.

Zwei Stunden vor Mitternacht am Silvesterabend fand die Entscheidung der Brüsseler Behörde statt: Kernkraft und Erdgas sollen demnächst als grün gelten. Sie sollen Bestandteile der sogenannten EU-Taxonomie werden. Ein Investmentboom in Atomkraft- und Gasunternehmen steht bevor.

Sicher, Atomstrom ist „sauber“, da er ohne klimaschädliches CO2 produziert werden kann. Die strahlenden Müllberge, die er hinterlässt, sind es aber ganz und gar nicht. Die Reaktorunfälle in Fukushima und Tschernobyl waren tragisch, das menschliche Leid unermesslich. Reaktoren in Erdbebengebieten, gravierende Baufehler, mangelhafte Sicherheitskonzepte, hochgiftige Abfallstoffe sind die Regel, auch in den modernsten und sichersten Meilern.

Allein mit dem deutschen Atommüll müssen sich noch 30.000 Generationen nach uns beschäftigen. Ein sicheres Endlager ist noch immer nicht gefunden. Dasselbe gilt für das gesamte restliche Europa, nirgends gibt es bisher eine Lösung. Ganz davon abgesehen, dass Atomstrom von allen Energieformen die teuerste ist, schon ohne die Folgekosten um die Müllfrage einzupreisen. Dass die EU-Kommission die Kernkraft nun mit einer Nachhaltigkeitskennzeichnung auszeichnet, ist ein Skandal.

Das grüne Licht der EU-Kommission für Erdgasprojekte ist noch ungeheuerlicher. Denn der Hauptbestandteil Methan ist rund 25-mal klimaschädlicher als CO2. Schon in kleinen Mengen hat es einen großen Treibhauseffekt und tritt entlang der gesamten Lieferkette aus, es entweicht bei der Förderung und schlüpft aus leckenden Pipelines. Jetzt soll ausgerechnet der Sektor als vermeintlich nachhaltig aufgewertet werden, in dem sich Methan am leichtesten einsparen ließe. In der Landwirtschaft und im Abfallmanagement ist das viel schwieriger.

Statt Gas als Übergangstechnologie für einen bestimmten Zeitraum zu definieren bis genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, will die EU-Kommission Anreize schaffen, um langfristig am Erdgas festzuhalten. Es dauert sehr lang, bis sich neue Anlagen, Umbauten und Probebohrungen bezahlt machen. Danach geht es erst mit den Gewinnen für Investoren los. Eine Photovoltaikanlage hat sich bereits nach rund zehn Jahren amortisiert.

Wenn in einigen Jahren genug Solarstrom, Windkraft und Wasserstoff vorhanden sind und der Gashahn zugedreht werden kann, dürfte es ähnlich laufen wie aktuell bei der Kohle: Konzerne, die ihr Geschäft bis aufs Letzte verteidigen, Klimakrise hin oder her. Die EU-Kommission steuert genau darauf zu.