Seit inzwischen 16 Jahren nimmt der Verein, meist in Person von Christian Quast, an den Fachgesprächen der Clearingstelle EEG|KWKG in Berlin teil. Bei den Fachgesprächen dreht es sich immer um juristische Themen bezüglich erneuerbarer Energien. Dort werden nicht nur die aktuellen Regelungen praxisgerecht ausgelegt, man erfährt auch, was der Gesetzgeber in Zukunft vorhat. Seit Corona werden die Fachgespräche glücklicherweise auch per Video gestreamt, sodass die aufwändige Berlinreise entfällt.
Diesmal ging es darum, wie sich intelligente Energiesysteme im Kleinen umsetzen lassen und welchen Beitrag sie zum Gesamtsystem leisten können. Nach der gewohnt redegewandten und humorvollen Eröffnung von Dr. Martin Winkler, dem Vorsitzenden der Clearingstelle, stellte Daniel Fürstenwerth vom BMWK das Mieterstrommodell und die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung gegenüber. Sein Fazit: Welches Modell das bessere ist, muss für jedes Projekt individuell ermittelt werden. Dr. Daniela Fietze, Europarechtsspezialistin der Stiftung Umweltenergierecht aus Würzburg, zeigte, was Deutschland von den weitgehenden Regelungen des europäischen Rechts zum sog. Energy Sharing schon umgesetzt hat und was noch kommen muss.
Ein wenig desillusioniert war der Verein von der Sichtweise der Bundesnetzagentur (BNA), vorgetragen von Volkswirt Stefan Albrecht, Referatsleiter Netzentgelte Strom. Die geltenden Modelle und Regelungen zur Finanzierung des Stromnetzes gehen vom Kupferplatten-Paradigma aus. Dabei wird ganz Deutschland im Modell so betrachtet, als könne man an jedem beliebigen Ort Strom einspeisen oder entnehmen, ohne dass dies einen Einfluss auf die Kosten hätte. Auf Basis dieses – nach Meinung des Vereins fragwürdigen (s. Kommentar unten) – Modellierungsansatzes werden dann – innerhalb des Modells korrekte – Schlussfolgerungen, z.B. für die Netzentgelte, gezogen. Albrecht sieht deshalb keine Vorteile dezentraler Systeme für das Gesamtsystem und geht davon aus, dass die Netzentgelte in den kommenden Dekaden um ein Vielfaches steigen werden. Wie Wirtschaft und Verbraucher mit Netzentgelten um die 30-40 ct/kWh umgehen sollen, ließ er offen.
Prof. Dr. Ralf Simon von der TH Bingen zeigte sehr anschaulich, wie die Eigenstromversorgung von Kommunen mit Hilfe lokaler virtueller Kraftwerke optimiert werden kann. Virtuelle Kraftwerke sind eine Kombination aus Energieerzeugern (z.B. Photovoltaikanlagen) mit Speichern und Verbrauchern, die so intelligent miteinander arbeiten, dass sie die Funktionen eines klassischen Kraftwerks erbringen, also auch das Netz im Betrieb unterstützen können.
So ähnlich rechnet auch Dr. Jörg Lange, Wissenschaftlicher Referent von Klimaschutz im Bundestag e.V. (KiB): Durch intelligente Steuerung von einzelnen Liegenschaften ergibt sich in Summe eine gehörige Entlastung für die deutschen Stromnetze, behauptete er.
Der Verein ist sehr gespannt, wie die Diskussion um die Stabilität und die Kosten unseres Stromnetzes weiter geht. Klar ist: Jedes Gerät, jede Anlage muss sich in Zukunft an der Stabilisierung unserer Stromnetze beteiligen. Und dezentrale Anlagen sind sehr wohl dazu geeignet!
Ein ganz großer Dank des Vereins geht an die Clearingstelle. Sie trägt mit ihren Fachgesprächen nicht nur zur Klärung aktueller Rechtsunsicherheiten bei, sondern hilft wesentlich dabei Diskussionen über die Zukunft unseres Energiesystems in die Breite zu tragen – und damit vielleicht den einen oder anderen Player von seinem Elfenbeinturm herunter zu holen.
Kommentar zum Vortrag von Stefan Albrecht von der Bundesnetzagentur:
Ich wünsche mir, dass die Netzentgelte sich künftig zumindest teilweise an den tatsächlichen Kosten orientieren. Ein Netz, bei dem der Transport von Hamburg nach München dasselbe kostet, wie einmal über die Straße, diskriminiert regionale Konzepte, übervorteilt überregionale und schadet dadurch allen. Dies wird volkswirtschaftlich als „Fehlallokation von Ressorucen" bezeichnet und hat schwerwiegende Folgen, sowohl für die Stabilität als auch die Kosten des Netzes und somit für die Akzeptanz der Energiewende in Politik und Bevölkerung.
Auch die Netzbetreiber müssen sich der Kostendiskussion stellen und an der Optimierung ihrer Netze arbeiten. Das geht nur, wenn man bei der Modellierung des Gesamtsystems (dt. Stromnetz) valide Annahmen trifft. Der Charme des Kupferplattenmodells ist seine Einfachheit, aber das ist auch seine größte Schwäche. Das Kupferplattenparadigma ist zu einfach um die neue, komplexe Welt zu beschreiben. Es wird Zeit, dass die BNA aufwacht und – so wie für die Energiewende 2.0 nötig – intelligente Modelle voranbringt, die in der Lage sind, komplexe Antworten auf komplexe Fragen zu generieren. Die Netzentgelte immer weiter anzuheben ist auf Dauer keine Lösung. Bei Ideenmangel: Einfach mal beim Fraunhofer IEE anfragen.
Von Christian Quast, Wirtschaftswissenschaftler und Innovationsmanager für Energiesysteme