Die Dunkelflaute – eine Gefahr?

Sehr unwahrscheinlich, dennoch ein Blick auf folgendes Szenario: Eine lange Windflaute über ganz Europa, dazu noch das übliche Wegfallen von Solarstrom in den Nächten: die Dunkelflaute – woher kommt jetzt der Strom?

Die Windräder und Photovoltaik-Anlagen schwächelten im Januar 2021. In Deutschland und vor den Küsten herrschte Flaute, auch die Sonne ließ sich weniger blicken. Zwischen dem Vormittag des 6. Januar und dem Morgen des 10. Januar kamen Windkraft und PV nicht über zehn Gigawatt Leistung hinaus, der Stromverbrauch lag in diesen Stunden aber zwischen 51 und 74 Gigawatt. Ähnlich war es zwischen dem 15. und 17. Januar.

Aber irgendwo in Europa herrschen immer gute Bedingungen um Ökostrom zu produzieren. Die Wetterverhältnisse innerhalb Europas unterscheiden sich erheblich. Ist der Wind im Nordseeraum schwach, bläst er im Mittelmeerraum und auf dem Balkan oftmals kräftig. Um dies auszunutzen, treibt die EU den europäischen Netzausbau voran. Der Stromaustausch zwischen den europäischen Ländern wird stark zunehmen, prognostiziert Christoph Kost vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE): „Das stärkt die Versorgungssicherheit.“

Gut wären auch mehr Solar-Carports, da dort Strom flexibel produziert und in E-Autos gespeichert werden kann. Doch auch zusätzliche Gaskraftwerke, die über eine längere Zeit und sehr kurzfristig Strom liefern können, wären gut. Das ist kein Widerspruch zu Energiewende und Klimaschutz, weil statt fossilem Erdgas dort auch CO2-neutrale Gase eingesetzt werden könnten – vor allem Wasserstoff, der per Elektrolyse mit Ökostrom erzeugt wird.

Wie viele Gaskraftwerke nötig wären zeigt eine im Auftrag des Berliner Thinktanks Agora Energiewende erstellte Studie von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal-Institut (>>hier). Ergebnis: Die installierte Leistung muss bis 2030 auf 43 Gigawatt und bis 2050 auf 73 Gigawatt wachsen. Laut Bundesnetzagentur sind derzeit fast 32 Gigawatt installiert.

Ihrer Studie haben die Autoren zugrunde gelegt, dass bis zum Ende dieses Jahrzehnts fast alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen werden. Philipp Litz, Projektleiter bei Agora Energiewende, ist überzeugt, dass die Zeit bis dahin ausreicht, um die nötigen Anlagen zu bauen: „Wir gehen davon aus, dass vor allem viele kleine, dezentrale Gasmotoren und -turbinen installiert werden. Das geht deutlich schneller als der Bau von Großkraftwerken.“

Wichtig ist auch das Lastmanagement: Industriebetriebe können einige Prozesse in Zeiten verschieben, in denen viel Energie verfügbar und der Preis an der Strombörse daher niedrig ist. Litz warnt davor, die Potenziale des Lastmanagements in Dunkelflauten zu unterschätzen. Allerdings sei der Anreiz für einen am Stromangebot ausgerichteten Betrieb der Anlagen noch zu gering, weil der Strom mit vielen Abgaben belegt ist.

„Betrachtet man die Energiewende als Ganzes, sind die Kosten für die Backup-Kapazitäten überschaubar“, sagt Christoph Kost vom ISE. Er verweist zudem darauf, dass auch ohne Energiewende erheblich in den Kraftwerkspark investiert werden müsste, da viele Kohlekraftwerke überaltert sind.

Dass Zeiten mit wenig Wind- und Solarstrom überbrückt werden müssen, bezweifelt auch Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, nicht. „Fakt ist, wir müssen aus Klimaschutzgründen die Kohlekraftwerke abschalten und zugleich neue regenerative Kraftwerke bauen. Wir brauchen fünfmal so viel Windkraft wie heute und zehnmal so viel Photovoltaik. Die Kapazitäten der Speicher müssen um den Faktor 1.000 zulegen.“