„Brückentechnologie“ Erdgas?

Der Einsatz von Erdgas ist ein enormes Risiko für das Gelingen der Energiewende.

Das Ergebnis einer Anfang Juli in „Nature Energy“ erschienenen Studie eines interdisziplinären deutschen Forschungsteams lautet: „Der Ausbau der Erdgasinfrastruktur stellt ein Risiko für die Energiewende dar, da Erdgas keine Brückentechnologie hin zu einem 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem im Sinne des Pariser Klimaabkommens ist.“

Die Forschenden empfehlen Politik und Wissenschaft, die bisherigen Annahmen über Erdgas zu überarbeiten. Sie beleuchten die Erdgasfrage aus mehreren Perspektiven und stellen dem Gas eine ähnlich schlechte Klimabilanz aus wie Kohle oder Öl. Und das wo doch die EU gerade erst dem Gas das grüne Siegel der Nachhaltigkeit gegeben hat.

Die Untersuchung wurde unter der Leitung von Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Leuphana Universität Lüneburg in Zusammenarbeit mit Franziska Hoffart von der Ruhr-Universität Bochum, Fabian Präger von der Technischen Universität Berlin und Isabell Braunger und Hanna Brauers von der Europa-Universität Flensburg erstellt.

Während die Vorstellung des sauberen Erdgases noch immer weit verbreitet ist, zeigen umfassende Forschungsergebnisse, dass die Klimaschädlichkeit der Erdgasnutzung erheblich unterschätzt wird. „Das Problem ist nicht nur das CO2, sondern das stark wirksame Treibhausgas Methan, das entlang der kompletten Wertschöpfungskette durch flüchtige Emissionen unverbrannt in die Atmosphäre entweicht. Diese Emissionen wurden bislang nicht ausreichend berücksichtigt und unterschätzt“, erklärt Fabian Präger (TU Berlin).

Zudem stellen die Forschenden fest, dass ein Ausbau von Erdgasinfrastruktur zu Pfadabhängigkeiten und ökonomischen Klimarisiken führen kann. Franziska Hoffart (Uni Bochum): „Investitionen in fossile Energieinfrastruktur zementieren fossile Abhängigkeiten und Emissionen für Jahrzehnte. Es entstehen enorme wirtschaftliche Kosten und fossile Pfadabhängigkeiten, die den Ausstieg aus der fossilen Energie und den Aufbau eines zu 100 Prozent erneuerbaren Energiesystems verzögern.“

„Das Papier richtet sich nicht nur an die wissenschaftliche Community, sondern insbesondere auch an Regierungen, die Strategien zur Minderung von Treibhausgasen entwickeln. Denn Investitionen in Erdgasinfrastruktur kann die Energiewende aufhalten und bringt enorme ökonomische Risiken mit sich“, betont Hanna Brauers (Uni Flensburg).

Aktuell gehen die politischen Bemühungen dahin, russisches Erdgas durch den Aufbau neuer Gashandelsbeziehungen und neuer Infrastruktur auszugleichen. Claudia Kemfert, Leiterin der Studie, erläutert dazu: „Fossiles Erdgas ist weder sauber noch sicher. Das zu lange Festhalten an fossilem Erdgas hat Deutschland in eine Energiekrise geführt, aus der jetzt nur entschlossenes Handeln für eine konsequente Dekarbonisierung hin zu einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien führen kann.“


Mehr dazu:
https://www.diw.de/de/diw_01.c.844883.de/nachrichten/warum_erdgas_keine_brueckentechnologie_ist.html
https://news.rub.de/wissenschaft/2022-07-05-energie-warum-erdgas-keine-brueckentechnologie-ist
https://www.nature.com/articles/s41560-022-01060-3